Eine Gruppe von Conti-Reisen erlebte die Macht der Naturgewalten bei einer Hochland-Reise durch Island

Trockenen Fußes von Europa nach Nordamerika spazieren – das geht tatsächlich. Nur ein paar Kilometer südlich des internationalen Flughafens von Island verbindet mitten in einem unwirtlichen Lavafeld eine Brücke über einen breiten Graben beide Kontinente. Her treiben die Erdplatten auseinander, rund zwei Zentimeter im Jahr.

Natürlich beginnt die Conti-Reise rund um das vulkangeborene Island im Juli 2020 an dieser spektakulären Stelle – und mit einem Schluck einheimischem Brennevin aus Kartoffelpulpe und Kümmel. So ist der Flug von Frankfurt schnell verdaut und die Hauptstadt Reykjavik auch nach kurzer Fahrt erreicht. Reykjavik ist in den letzten Jahren zu einem Treffpunkt der internationalen Partyszene mutiert. In diesem Sommer geht es aufgrund der Reise-Beschränkungen für viele Länder beschaulicher zu. Aber viele Einheimische genießen bei einem Güll-Bier oder einem Apérol-Spritz an geschützten Hauswänden die warmen abendlichen Sonnenstrahlen. Hochsommerfeeling bei 15 Grad im Nordatlantik.

Seit mindestens 1200 Jahren ist die Insel besiedelt, aber wahrscheinlich schon viel länger, erfahren die Conti-Reisenden am nächsten Morgen. Ein Stockwerk unter dem Straßenniveau hat man vor einigen Jahren die Mauern großer Bauernhöfe aus der Zeit der Wikinger ausgegraben und in einer spektakulären Ausstellung präsentiert. Auch im Rathaus und in der weißen Hallgrimmskirche mit ihrer mächtigen Orgel von Orgelbau Klais aus Bonn ist die Gruppe zu Besuch. Und einige steigen anschließend in die „heißen Töpfe“ des größten von 30 Reykjaviker Schwimmbädern. Bei 38 bis 44 Grad kommt im Laugardalslaug das Blut da ganz schön in Wallung.

Zehn Tage geht es begleitet von Insel-Kenner und Journalist Dr. Martin Wein mit einem geländegängigen Bus anschließend rund um die Insel, auf der man dem Wirken der Naturgewalten so gut zuschauen kann, wie wohl nirgendwo sonst. Island ist das jüngste Land der Erde und immer noch im Werden. Der bekannte Geysir oder fauchende Fumarolen in Hveravellir sind nur freundliche Erinnerungen an die Kräfte, die unter dem Boden schlummern. Allerorts rauschen Wasserfälle von den Gletschern im Hochland zu Tal. Gullfoss, Godafoss, Dettifoss, Skogafoss und Seljalandsfoss sind nur die bekanntesten auf der Route. Einige haben nicht mal einen richtigen Namen. Der Gullfoss liefert die Kulisse für ein erstes zünftiges Picknick, bevor es auf der Kjölur-Piste in vier Stunden Fahrt quer über das unwirtliche Hochland geht. Ein bekannter Geächteter namens Eyvindur soll im 18. Jahrhundert zusammen mit seiner Frau jahrzehntelang hier gehaust und genau dort in heißem Thermalwasser sein Essen gekocht haben, wo die Gruppe einen Badestopp in der Natur einlegt.

Der hohe Lebensstandard auf Island – die Bewohner finden sich im Happiness-Index der Vereinten Nationen immer wieder auf einem Spitzenplatz – ist erst im späten 20. Jahrhundert gewachsen. Auf einem ehemaligen Pfarrhof im Norden erlebt die Gruppe in den niedrigen Häusern aus Torfsoden und Gras, wie viele Isländer auf dem Land noch um 1900 hausten. In Siglufjödur zeigt ein spektakuläres Museum, die die Herings-Industrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen ersten Wirtschaftsboom auf die Insel brachte. Ein ganzer Hafen mit Fangbooten, eine Fabrik und die Quartiere der Heringsmädchen sind hier so realistisch nachgestellt, als wären die jungen Frauen gerade mal eben zum Einkaufen oder auf einen Flirt in die Stadt gegangen. Siglufjödur, das heute als Skisportort im Winter punktet, ist übrigens erst seit wenigen Jahren durch zwei Tunnel mit dem Rest Islands verbunden. Früher war die Stadt oft wochenlang nicht erreichbar und damit die passende Kulisse für den Erfolgskrimi „Trapped – Gefangen auf Island“.

Auf dem Weg nach Akureyri stellt Busfahrer Simon der Gruppe seine typisch isländische Patchwork-Familie mitsamt seiner zehn Island-Pferde vor. Dann geht es zu den Naturwundern am Mückensee, der dank Wind und Nieselregen seinem Schreckensnamen keine Ehre macht. Besonders abenteuerlich wird die schwierige Piste von hier zur riesigen Caldera der Askja. Der Vulkan hat 1874 den Osten Islands unter einer Staubschicht begraben. In wilden Kurven und durch zahlreiche Furten schlängelt sich die Piste durch die Lava diverser Ausbrüche. Das letzte Stück geht es nur noch zu Fuß über Aschensand und Schneereste bis zum Kratersee Öskjuvatn. Zwei Berliner Naturforscher sind hier im 19. Jahrhundert verschollen. Nur wenige Gruppen kommen an diesen spektakulären Ort. Fast keine hat einen Picknicktisch im Gepäck.

Um ans Kap Ingolfshöfdi zu gelangen, ist selbst der hochgelegte Allradbus zu schwach. Da hilft nur ein Traktor mit Anhänger weiter. Nach einer stürmischen Nacht werden die Conti-Gäste am nächsten Morgen im Sonnenschein von der Frau des örtlichen Bauern durchs Watt hinüber gezogen. Nach einem steilen Anstieg stehen sie dann schon wenig später vor den Nisthöhlen der Papageitaucher. Und wie bestellt kehren die Altvögel mit fetten Sandaalen im Schnabel zu ihren Küken zurück. Das sind Bilder wie aus einer Hochglanz-Naturdokumentation der BBC.

Selbst der letzte Tag bietet noch Überraschendes. Spontan nimmt die Gruppe bei herrlichem Wetter die Fähre auf die Westmänner-Inseln. Vom Hafen auf Heimaey nimmt Insulanerin Öydur die Besucher mit auf eine Wanderung über das Lavafeld des berühmten Vulkanausbruchs von 1973. Am Ufer ist ein Tank halb von der Lava umschlossen. In einem lauschigen Tal mit Zwergbirken ragen Stahlbetonträger eines verschütteten Hauses aus dem Gestein hervor. Straßenschilder zeigen, wo unter der Lava ganze Häuserzeilen verschwanden. Zum Glück kam niemand ums Leben und die Lava stoppte kurz vor der Hafeneinfahrt. Ein Haus hat man ausgegraben und das eindrucksvolle Museum Eldheimar darum gebaut. Öydur, die sonst als Krankenschwester arbeitet, erzählt, wie ihre Mutter damals als Nachtwache im Krankenhaus die Evakuierung der Patienten organisierte.

Mit einem gecharterten Bus geht es dann noch hinauf zum Storhöfdi. Auf dem Kap hat der Leuchtturmwärter die höchsten Windgeschwindigkeiten Europas gemessen. Auch die Conti-Gruppe aus Deutschland muss sich gut festhalten, um nicht vorzeitig fliegen zu gehen. Nur die Seevögel trotzen elegant dem Sturm, während die Reisenden in einer Beobachtungshütte Schutz suchen.

Die Gruppe ist gerade wieder zuhause, als in der folgenden Nacht schwere Erdbeben die Reykjanes-Halbinsel auf Island erzittern lassen. Das stärkste erreicht 5,0 auf der nach oben offenen Richter-Skala. Wie Radarmessungen zeigen, hebt sich der Erdboden genau dort, wo die Gruppe am ersten Abend auf ihre Ankunft angestoßen hat. Demnächst könnte sich hier ein neuer Vulkan öffnen, glauben Experten. Auf Island bleibt es eben immer spannend.

Text und Bilder: Dr. Martin Wein