Informationsreise Tallinn 08.-11.02.2018

Anlässlich des 100. Geburtstages der estnischen Republik, der am 24.02.2018 gefeiert wird, hat das estnische Fremdenverkehrsamt deutsche und niederländische Touristiker zu einem Fam-Trip eingeladen. Conti-Mitarbeiterin Regina Abel war mit dabei.

Ein kleiner geschichtlicher Exkurs:
Das kleine Land mit nur 1,3 Millionen Einwohnern war über viele Jahrhunderte fremdbestimmt, u. a. durch das Königreich Dänemark. Ab Anfang des 13. Jh.s wird es von deutschen und dänischen Kreuzrittern christianisiert. 1248 wird Tallinn (Reval) zur Hansestadt. Im 16. Jh. fällt Estland an die Schweden und im 18. Jh. an Russland unter Führung von Zar Peter dem Großen. Nur kurz währt nach der Ausrufung der Republik Estland am 24. Februar 1918 die Unabhängigkeit, da auf die Jahre 1941–1944 als Teil NS-Deutschlands die Annektion durch die Sowjetunion folgt. Nach der „singenden Revolution“ gelingt es Estland, die Unabhängigkeit im August 1991 wiederzuerlangen, welche für das estnische Volk von großer Bedeutung ist.

Der Flug ging mit LOT ab Düsseldorf über Warschau nach Tallinn. Der hübsche, kleine und in bunten Farben eingerichtete Airport ist ein freundliches Entrée. Die Auszeichnung „cosiest airport in the world“ ist für mich nachvollziehbar.

Nach einem kurzen Transfer (der Flughafen liegt nur 4 km, ca. 10 min. außerhalb der Stadt, es gibt eine Straßenbahnhaltestelle am Terminal) erreichten wir das Hotel Sokos Viru ****, eines der größten und traditionsreichsten Hotels der Stadt. Der größte Part ist nach internationalem Standard eingerichtet, aus den höheren Stockwerken bieten sich gute Ausblicke auf den Hafen und die Altstadt.

Der kleinere Part „Estoria” (3 Etagen) wurde als „storytelling Boutique Hotel” für gehobenere Ansprüche umgestaltet. In jeder Etage gibt es einen Lounge Bereich, der als „Wohnzimmer“ gedacht ist mit Kaffeemaschine und Bücherregal. Auf jeder Tür stehen interessante Fakten über Estland, und jedes Zimmer ist einem Thema oder einer Person gewidmet, immer in Bezug auf Estland. Die Betten sind mit „memorable matrasses” ausgerüstet.

Sehr interessant ist das KGB Museum im geheimen 23. Stock, zu dem kein Aufzug führt. Tolle, humorvolle Führung durch Pawel in Englisch. Zu Sowjetzeiten waren alle ausländischen Gäste hier untergebracht und es gab ca. 60 verkabelte Zimmer sowie Brotteller und Aschenbecher mit Mikrofonen. Man kann die Schaltzentrale besuchen und sich in die fast unglaubliche, nahe Vergangenheit und ihre totale Überwachung zurückversetzen lassen.

Nun ging es zu Fuß in die nahgelegene, wunderschöne Altstadt. Die Unterstadt ist voller hübscher Cafés und Läden. Es gibt in den Sommermonaten einen 24-Stunden geöffneten Blumenmarkt und im Sommer wie Winter Stände mit Strickwaren an der Stadtmauer. Viele hübsche Geschäfte mit Kunsthandwerk, kulinarischen Spezialitäten und jede Menge gemütlicher Restaurants laden ein. In den Sommermonaten wird die Altstadt auch stark von Kreuzfahrtschiffen frequentiert. Am Rathausplatz haben wir im hübschen Dom-Restaurant köstlichen Fisch gegessen und danach einen Rundgang durch die Unterstadt mit vielen renovierten Häusern im gotischen Stil gemacht. Über das „kurze Bein” ging es über Treppen hoch in die Oberstadt. Die Nikolaikirche wurde im Krieg zerstört, von den Sowjets wieder aufgebaut und ist im Innern ein Museum, eine Filiale des Estnischen Kunstmuseums. Das wichtigste Kunstwerk ist das Gemälde „Totentanz“ von Bernt Notke. Den Turm kann man auf Wunsch hinaufsteigen.

Wir besuchten die prächtige russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale und den weithin sichtbaren „langen Herrmann”, das Wahrzeichen Tallinns. Dies ist einer der mittelalterlichen Ecktürme des Schlosses auf dem Domberg. Er ist Teil des Schlosses, in dem das estnische Parlament sitzt.

Die lutherische Domkirche – sie ist Maria gewidmet! – zeigt sich außen und innen eher schlicht. Wir kamen vorbei an der ehemaligen Ritter- und Domschule zu Reval (dies ist der frühere Name von Tallinn). Die deutschsprachige Schule bestand von 1319 bis 1939. Auch heute gibt es in Tallinn noch ein deutschsprachiges Gymnasium. Etliche Botschaften drängen sich in der kleinen Oberstadt.

Auf dem Weg hinunter über das befahrbare „lange Bein”, statteten wir einem traditionsreichen Marzipangeschäft mit seinem betagten deutschsprachigen Besitzer einen Besuch ab. Hier gibt es handbemalte Marzipanunikate. In der ältesten Apotheke des Landes wurde ein Museum mit skurrilen Exponaten, wie z. B. einer eingelegten Hand eingerichtet. Über eine steile Stiege ging es in den Keller, wo wir einen leckeren, mit Gewürzen aromatisierten Rheinwein verkosteten.

Nun gingen wir direkt zum mittelalterlichen Restaurant „Olde Hansa”. Das originelle, überwiegend nur von Kerzen erleuchtete große Lokal mit mehreren Ebenen empfängt den Gast mit einer Händewaschung, bevor das Mahl an langen Tischen mit dunklem und hellem Brot, Quark, Pâté, Zwiebelmarmelade sowie Bier aus Krügen beginnt. Nach und nach kamen immer neue warme Fleischgerichte, darunter Wild und Ente, Linsen, Rübengemüse, eine Graupenart und als Höhepunkt echtes Bärenfleisch! Es war meist nicht sehr klar zu sehen, aber durchweg lecker. Man versucht rein authentische mittelalterliche Küche und Getränke anzubieten, verzichtet z. B. ganz auf Kartoffeln und Tomaten. In einem Nebenraum gab es einen Workshop, bei dem unsere Damen und Herren einen eigenen Schnaps mit verschiedenen Zutaten kreieren durften, der danach bei Tisch gemeinsam verkostet wurde. Wer wollte, konnte sich in mittelalterlichen Gewändern fotografieren lassen. Ganze 20 davon stehen zur Verfügung. Zurück am Tisch erwartete uns ein köstliches Dessert mit Rosenwasser und -blüten.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Bus um die Altstadt herum, durch gefragte und nicht billige Wohngebiete, die von typischen bunten Holzhäusern dominiert werden. Viele davon besitzen eine eigene Sauna. Im trendigen Viertel Telliskivi entstehen auf einem ehemaligen Industrieareal immer mehr moderne Firmen, Start-ups, aber auch Geschäfte, Bäckereien etc. Da diese erst gegen 11 h öffnen, liefen wir außen entlang, was, auch dank großflächiger Street Art, durchaus spannend war. Weiter ging es entlang großer Lagerhallen, in denen sich Märkte für Vielerlei befinden, und dem Open Air-Markt für preiswerte Güter für den täglichen Gebrauch, zur neu erbauten modernen Markthalle mit einem Mix aus Supermärkten, Street Food-Ständen, Antikhändlern und einer Kantine, in der man preiswert zu Mittag essen kann. Wir verkosteten eine cremige Süßspeise in knusprigen Waffeln und Craft Beer, das auch in Estland sehr in Mode ist und dort in der Halle gebraut wird. Die Markthalle ist ein guter Zusatzpunkt oder Ort für eine Mittagspause, auch für Gruppen, und liegt am Bahnhof, nur ca. 15–20 Gehminuten von der Altstadt.

Weiter ging es zum Seaplane Harbour Museum, das in einer beeindruckenden dreidomigen Halle untergebracht ist und ein komplettes U-Boot zeigt, welches auch innen besichtigt werden kann. Das Museum ist auf 3 Ebenen angelegt: Meeresboden, Wasseroberfläche und Luft. Stege und eine atemberaubend steile Brücke verbinden die Bereiche. Die interessante Ausstellung, bei der man alles anfassen kann, bietet viel Interaktives sowie historische Fakten. Es ist für Familien, aber auch für Erwachsene geeignet. Ein Café/Restaurant befindet sich im 1. Stock. Draußen liegen zahlreiche Schiffe, die im Sommer auch zu besichtigen sind.

Nun ging es zur Tourismus Messe TOUREST, wo uns viele Detailinformationen über die verschiedenen estnischen Regionen erwarteten.

Am späten Nachmittag ging es zum Maarjamäe Palast, in dem in wenigen Tagen das neue Estonian History Museum eröffnet wird. Es zeigt im Innern eine interessante Ausstellung über die 100-jährige Geschichte der estnischen Republik. In einem Seitengebäude des Herrenhauses ist ein Filmmuseum bereits in Betrieb. Hinter dem Hauptgebäude sind sowjetische Großskulpturen ausgestellt (Lenin, Stalin und lokale Kommunistenführer).

Ein attraktives Café mit Gemälden eines örtlichen Künstlers wird ebenfalls eröffnet.

Am Morgen des 3. Tages ging es in die Natur des Lahemaa Nationalparks im Norden Estlands, nur eine Stunde Fahrt (70 km) östlich von Tallinn. Er umfasst eine Fläche von 70.500 ha und wurde als erster Nationalpark der Sowjetunion 1971 gegründet. Auf dem Weg passierten wir die Wohnquartiere der russischstämmigen Bevölkerung, die in großer Dichte in den Außenbezirken lebt. Hier hat man stark von sozialen Maßnahmen der Regierung profitiert. Nach ca. 1 Std. erreichten wir einen Wanderweg hinein in den Nationalpark und liefen durch die verschneiten Wälder auf Stegen über das Moor. An einem Aussichtspunkt gab es heißen Tee und Süßes. Die Wege sind sogar für Kinderwagen und Rollstühle geeignet. Sogar ein Plumpsklo gibt es im Wald! Ein herrlicher 1-stündiger Ausflug in eine verzauberte Winterlandschaft!

Weiter fuhren wir mit dem Bus zum Herrenhaus Palmse, das wie alle Gutshöfe der Gegend von deutschen Familien gegründet wurde, hier war es die Familie von Pahlen, die auch die estnische Eisenbahn begründete. Das Haus ist sorgfältig restauriert und gibt einen guten Einblick in das damalige Leben der Bewohner.

Wir aßen gut und rustikal zu Mittag in einer ca. 200 m entfernten Taverne. Es gab Braten, Sauerkraut, Meerrettich, Gurken, dunkles Brot und Butter, auf schwerem Tongeschirr, wieder sehr lecker und mit freundlicher Bedienung.

Wir kamen danach vorbei am Landgut Sagadi, wo ein Forstwirtschaftliches Forschungszentrum untergebracht ist. Es gibt ein Wald- und ein Herrenhaus-Museum sowie ein Restaurant.

Am Nachmittag erreichten wir das Landgut Vihula, das nach Renovierung von 2008­–2012, auch mit finanzieller Unterstützung der EU, heute ein 4-SternePlus-Hotel der Unique-Gruppe ist. Von den 74 Zimmer sind 40 Standardzimmer in verschiedenen Gebäuden und somit auch für Gruppen geeignet. Der Komplex ist liebevoll gestaltet und elegant eingerichtet. Die charmante Marketingmanagerin Dina führte uns über das weitläufige Gelände, zu Bäumen, die schlechte Energie aufnehmen und anderen, die wiederum Wünsche erfüllen, man muss nur daran glauben … Wir sahen Swimmingpool, Ecofarm, Oldtimermuseum und das Vodka- Museum, wo es auch verschiedene Sorten zu verkosten gab. Am Abend waren wir im Haupthaus zu Gast für ein elegantes Abschiedsdinner.

Das Frühstück am nächsten Morgen fand im Restaurant statt und ließ keine Wünsche offen. Wer mochte, ging danach schwimmen und besuchte die Dampfsauna oder erkundete wandernd die Gegend. Dina zeigte uns danach den SPA-Bereich, wo wir unser persönliches Peeling mischen durften, das Saunahaus, und im Vodka-Museum konnten wir bei einem Workshop unseren eigenes hochprozentiges Souvenir zusammenstellen. Ab Ende April gibt es verschiedene Aktivitäten, an denen Gäste teilnehmen können. Im Sommer (Mitte Mai bis September) finden viele Konzerte und Veranstaltungen statt, Oldtimertreffen etc. Es gibt Boote auf dem See, und das 2. estnische Restaurant hat geöffnet. Mit einer persönlichen und herzlichen Verabschiedung ging es mittags wieder Richtung Tallinn (direkte Fahrzeit 1 Std.).

In einem traditionellen Fischerdorf mit rot gestrichenen Häusern wurde vor 4 Jahren das Seafood-Restaurant Ruhe eröffnet. Es ist aus dunklem Holz errichtet und nordisch-minimalistisch eingerichtet. Das Basilikumrisotto mit Meeresfrüchten und auch die Limetten-Minz Panna Cotta waren ausgezeichnet. Das Lokal ist ein beliebter Ausflugspunkt für Tallinner, da nur 30 Min. Autofahrt entfernt.

Freude machte mir beim Abschied wieder der Tallinner Flughafen mit bunten Sitzen, von Kindern gesprochenen Durchsagen, einer Tischtennisplatte mit Schläger sowie Fitnessgeräten am Gate.

Auf Wiedersehen Tallinn!